Corona und die Folgen für Kinder und Jugendliche


Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf haben in der COPSY (Corona und Psyche)-Studie Kinder, Jugendliche und Eltern befragt. Fast jedes dritte Kind leidet seit dem letzten Jahr an psychischen Auffälligkeiten: Sorgen, Ängste, Rückzug, Kopf- und Bauchschmerzen. Die Kinder ernähren sich weiterhin ungesund mit vielen Süßigkeiten. Zehnmal mehr Kinder als vor der Pandemie machen keinen Sport mehr. Parallel dazu verbringen die Kinder noch mehr Zeit an Handy, Tablet und Spielekonsole. Der Berufsverband der Vertragspsychotherapeuten hat die Therapeuten und Kinderärzte befragt und die Daten von 10 000 Kindern analysiert. Die Ergebnisse zeigten eine deutliche Zunahme von Leistungsabfall, Versagensängsten, deutliche Gewichtszunahme und einen übermäßigen Medienkonsum.

Obwohl die Ansteckungsrate durch SARS-CoV 2 bei Kindern ähnlich ist wie die bei Erwachsenen, erkranken Kinder häufig nicht oder zeigen nur milde Symptome. Das Ansteckungsrisiko durch Kinder scheint geringer zu sein als durch Erwachsene. Es wird allgemein erwartet, dass das Virus wie andere Viren, die Erkältungen auslösen auch, endemisch wird und uns unser Leben lang begleiten wird.
Ein direkter Austausch mit Gleichaltrigen ist für die gesunde Entwicklung der Kinder und Jugendlichen notwendig. Die Schließungen von Kindergärten und Schulen haben insbesondere für benachteiligte Kinder und Jugendliche zu einer beispiellosen Unterbrechung von Bildung, Freizeitmöglichkeiten, sozialem Lernen unter Gleichaltrigen, Gesundheit, Sicherheit und Schutz geführt.
Die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben sich nach unseren Praxiserfahrungen im Verlauf der Corona- Pandemie deutlich verschlechtert.
Wir haben inzwischen ca. 60% mehr Therapieanfragen als vor der Pandemie und sehen Schwierigkeiten in der Versorgung. Wir sehen vermehrt Angststörungen, Depressionen, Schlafstörungen, Essstörungen und Substanzmissbrauch. Zudem gibt es einen Anstieg von Patienten, die aufgrund von akuter Suizidalität kinder- und jugendpsychiatrisch versorgt werden müssen.
Viele Eltern sorgen sich um die Verträglichkeit der Masken für ihre Kinder.  Die Mimik der Bezugspersonen ist für die gesunde Entwicklung der Heranwachsenden sehr wichtig.
Das Team um Dr. Silke Schwarz und Prof. Dr. Ekkehart Jenetzky an der Universität Witten/Herdecke forscht in der Corona- Kinderstudie zum Thema: Wie gut vertragen Kinder Masken? Bei einer durchschnittlichen Tragedauer von 270 Minuten am Tag waren bei 68% der Kinder Belastungen festzustellen. Zu den am häufigsten genannte Nebenwirkungen zählten Gereiztheit (60%), Kopfschmerzen (53%), Konzentrationsschwierigkeiten (50%), weniger Fröhlichkeit (49%), Schul- und Kindergartenunlust (44%), Unwohlsein (42%), Beeinträchtigungen beim Lernen (38%) und Benommenheit/Müdigkeit (37%).

Studiendesign der COPSY Studie:

  • bundesweite Online-Befragung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien in Deutschland
  • Erfassung weiterer Variablen wie das Familienumfeld, der Medienkonsum, körperliche Aktivität und Ernährungsverhalten
  • erster Erhebungszeitraum Mai – Juni 2020: Befragung von >1.000 11- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen sowie >1.500 Eltern von 7- bis 17-Jährigen
  • zweiter Erhebungszeitraum Dezember 2020 – Januar 2021: >1.000 Kinder und >1.600 Eltern; über 80% hatten schon bei der ersten Befragung teilgenommen
  • Vergleich mit vorpandemischen KiGGS-/BELLA-Daten und der HBSC-Studie möglich

Ergebnisse:

  • erster Erhebungszeitraum:
    71% der Kinder und Jugendlichen und 75% der Eltern fühlten sich durch die erste Welle der Pandemie belastet
    • Eltern wünschten sich während der Pandemie Unterstützung mit ... den Beziehungen innerhalb der Familie (12%), ...mit den Gefühlen und Stimmungen des Kindes (20%), ...mit dem Verhalten des Kindes (21%), ...mit den schulischen Anforderungen des Kindes (73%)
    • Verschlechterung des Gesundheitsverhaltens während der Pandemie verglichen mit der Zeit vor der Pandemie (Zunahme des Medienkonsums bei 70%; 20% machen keinen Sport mehr; 26% essen mehr Süßigkeiten)
     
  • Vergleich der beiden Erhebungszeiträume sowie Vergleich mit Daten vor der Pandemie:
    • etwa jedes/r 3. Kind/Jugendlicher zeigt psychische Auffälligkeiten während beiden Wellen (30% vs. vor der Pandemie 17%)
    • Anstieg der subjektiven seelischen Belastung von 70% auf 85%
    • Verschlechterung der Lebensqualität (geminderte Lebensqualität 40% vs. 48% (vs. vor der Pandemie 15%))
    • Zunahme an Ängsten und Sorgen (24% vs. 30% (vs. vor der Pandemie 15%))
    • Zunahme an depressiven Symptomen (11% vs. 15% (vs. vor der Pandemie 10%)) sowie psychosomatischen Beschwerden wie Kopfweh und Bauchschmerzen
     

  • die Pandemie führte auch zu mehr Streit in den Familien, vermehrten schulischen Problemen, einem schlechteren Verhältnis der Kinder und Jugendlichen zu ihren Freunden und vermehrten depressiven Symptomen der Eltern
  • v.a. Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen, mit Migrationshintergrund und begrenztem Wohnraum betroffen

 

Referenzen:

Ravens-Sieberer, U., Kaman, A., Otto, C. et al. Seelische Gesundheit und psychische Belastungen von Kindern und Jugendlichen in der ersten Welle der COVID-19-Pandemie – Ergebnisse der COPSY-Studie. Bundesgesundheitsbl (2021). doi.org/10.1007/s00103-021-03291-3

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